www.physikbuch.de >>Wilde Theorien >>Chaostheorie

Die Chaostheorie ist schön, aber beunruhigend: Sie zeigt, dass selbst extrem einfachste Regeln Lösungen zur Folge haben können,

  • für die Du unendlich viele Rechenschritte benötigst, egal, wie Du sie anpackst und
  • bei denen schon der kleinste Rundungsfehler das Ergebnis komplett ändern kann (was heißt, dass zusätzlich unendlich genau zu rechnen hast).

Das Dumme ist nun, dass die Physik eigentlich immer aus einfachen Regeln besteht. Das einzige, was noch zu tun ist, ist, eine Aufgabe zu finden, die nicht zu einer einfachen Formel zusammenfällt - und daher nur schrittweise gelöst werden kann. Aber das ist leicht:

Nimmst Du zwei Himmelskörper und lässt sie umeinander kreisen, stoßen sie entweder sofort zusammen, oder ihre Flugbahn immer eine Ellipsenform. Fügst Du einen Dritten hinzu gibt es keine geschlossene Formel mehr: Jeder kreist  ein wenig um jeden Anderen: Zwei Planeten kreisen um eine Sonne, aber da ihre Bahnen einander beeinflussen, wandert einer nach wenig nach außen, ein anderer nach innen. Ihre Bahnen werden dadurch sicher unrund und plötzlich geht Dein Sternensystem in Resonanz: Ein Planet braucht für eine Umdrehung genau doppelt so lange wie der andere. Er immer auf der einen Seite der Sonne also stärker an gezogen, dann losgelassen --- und wie, wenn Du eine Schaukel immer weiter anschuckst: Du weißt dann nie, was da passiert.

Mathematische Abkürzungen gibt es nur selten. Normalerweise hast Du allein die Möglichkeit,

  • zu messen, welcher Planet sich wo befindet und wie schnell er sich bewegt.
  • Du kannst damit ausrechnen, wo er in der nächsten Sekunde in etwa sein wird,
  • Du weißt, wer ihn wie stark wohin zieht. Damit, wie stark er in dieser Sekunde seine Geschwindigkeit ändert
  • und Du kannst die Rechnung jederzeit für die jeweils nächste Sekunde von Vorne beginnen.

Du kannst statt Sekunden auch Tage nehmen, aber dann ist die Kreisbahn der Erde ein 365-Eck, kein Kreis - was nur noch begrenzt genau ist.

Immerhin können wir jetzt all das beobachten, was kennzeichnet, was ein Mathematiker ein Chaos nennt:

  • Selbstähnlichkeit: Wirfst Du Himmelskörper durcheinander, sind die Chancen hoch, dass sie ewig umeinander kreisen. Das Ergebnis sieht also fadt immer so aus, wie ein normales Planetensystem.
  • Stabile Bereiche: Wirfst Du die Himmelskörper so, dass sie zusammenstoßen, tun sie das. Wirfst Du viel zu stark, nehmen sie reißaus und kommen nie mehr zurück. Dazwischen kreisen sie umeinander und ob Du sie weiter nach links oder rechts geworfen hast, ist eigentlich egal.

Ein Mann namens Lagrange hat sogar weitere stabile Bereiche, die Lagrange-Punkte entdeckt:

Wenn Du genau auf der anderen Seite der Sonne wie die Erde aber im genau gleichen Abstand einen Himmelskörper platzierst und der klein genug ist, kreist er genau so schnell wie die Erde um die Sonne. Wirfst Du ihn zu schnell, läuft er auf seiner Kreisbahn auf die Erde zu und kreist um den Lagrange-Punkt:

  • Wenn er beschleunigt, drückt die Fliehkraft ihn nach außen. , da er ja immer schneller wurde - muss daher immer mehr Weg zurücklegen und, fällt relativ zur Erde zurück.
  • Dann kommt er aber in einem Bereich, indem er auf der anderen Seite von der Erde angezogen wird. Er bremst also ab, wandert nach innen, eine Umdrehung ist weniger Weg und er holt die Erde wieder ein.
  • Gibst Du aber einem Satelliten nur einen Stups zu viel, verlässt er den Lagrange-Punkt und fliegt quer durch das Sonnensystem. Gehen zwei Kreisbahnen in Resonanz, entscheiden über die milliarden Jahre hinweg oft kleinste Änderungen, ob ein Planet nun abhau, in die Sonne fällt oder die Schwingung sich immer abwechselnd aufbaut und wieder abebbt.

Die Meteorologen haben daher lange gesagt, das der Schlag eines Schmetterlingsflügels entscheiden kann, ob ein Orkan entsteht oder nicht. Stell' Dir vor, er gibt dabei dem letzten Wassertropfen, den die erste Tanne der Welt benötigen würde, um aufzugehen, eine neue Richtung - und entscheidet über das Schicksal aller Tannenwälder. Er landet auf der Blume, die deshalb ein Mädchen pflückt, das sie Momente später einem Panzer entgegenhält und die Flower-Power-Bewegung begründet. Vielleicht passiert aber auch für Milliarden von Jahren nichts - oder dieser eine Flügelschlag wird von unserem Universum komplett vergessen.

Selbst, wenn man sehr genau rechnen kann, weiß niemand, was die Zukunft bringt.