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Pseudokristalle sind ein Nobelpreis, der leicht zu erklären ist:

Kristalle kennst Du von Salz und Zucker, von dem Schwingquarz in Deinem Rechner und von jedem Mikrochip, der aus einem Siliziumkristall gefertigt ist. Auch Metalle lieben die Kristallform. Wenn sie langsam genug abgekühlt worden sind, werden die Kristalle sogar so groß, dass Du sie als unterschiedlich stark reflektierende Metallstücke sehen kannst.


Alle bestehen sie aus Atomen, die lückenlos zu regelmäßigen Mustern angeordnet sind. Das einfachste Muster wäre dasjenige, das entsteht, wenn man Apfelsinen aufeinander stapelt:

Oft sind die Objekte, die man stapelt, aber nicht rund. Es sind daher Unmengen anderer Stapelordnungen möglich, die aber oft schwer vorzustellen sind, wenn man sie nicht räumlich vor sich hat oder sie sich (wie im nun folgenden Beispiel und falls Du einen modernen Internetbrowser verwendest) bewegen.

Animation eines kubischen Kristallgitters

Das Problem ist nun, dass die Atome, aus denen die Kristalle bestehen, viel kleiner als Lichtteilchen vom sichtbaren Licht sind - und man sie daher nicht direkt sehen kann.

 

Die Teilchen des Lichts sind von Röntgenstrahlung sind bedeutend kleiner, aber auch mit ihnen bekommt man kein wirkliches Bild des Kristalls. Stattdessen erhält man Bilder, die aussehen, als hätte jedes einzelne Atom des Kristalls eine Kugelwelle aus Röntgenstrahlen losgetreten, die aussieht, wie die Wasserwellen, die um einen Stein in einem See entstehen. Der Wissenschaftler sitzt nun am Ufer und versucht anhand eines Fotos des Musters, das die den Strand berührenden Wellen bilden, herauszufinden, wie die Steine im Wasser angeordnet sind. 

Dieses Mal behaupte ein junger Wissenschaftler steif und fest, dass er in den Wellen ein Muster gesehen hat, das aus Fünfecken besteht. Was ihm den (hoffentlich höflichen) Spott seiner Kollegen einbrachte:

Eine geschlossene Fläche regelmäßig in Drei-, vier- und sechsecke aufteilen ist einfach. Einen Raum kann man in deutlich mehr zu einem Gitter angeordnete Bausteine aufteilen  --- aber wenn man aus Fünf- oder Siebenecken versucht, eine Fläche oder gar einen Kristall zusammenzusetzen, bleiben im ersten Anlauf überall Hohlräume übrig. Und ein Ding, das überall aus Hohlräumen besteht, sieht erstmal nicht nach einem Kristall aus.

Überraschenderweise blieb der Junge Wissenschaftler aber bei seiner Meinung, er habe in den Wellen Fünfecke gesehen. Auch wenn er selber zugab, dass er nicht erklären könne wie man daraus einen Kristall zusammensetzen können soll.

Normalerweise geht ein Mann dieses Kalibers als Verrückter in die Wissenschaftsgeschichte ein: Ein Mann der in irgendwelchen Wellen Fünfecke sieht und selber behauptet, dass dies nicht möglich ist. In diesem Fall hat der Mann stattdessen einen Nobelpreis bekommen: Ein Mathematiker hatte schon lange zuvor ein Phänomen entdeckt, das entstehen kann, wenn man eine geschlossene Fläche beispielsweise mit den beiden Sorten von Parallelogrammen auslegt, aus denen die Folgende Fläche zusammengesetzt ist:

Das Ding sieht harmlos aus. Und man kann aus seinen Bestandteilen beliebig große Fläche bauen, an deren Rand überall noch ein weiteres Blumenmuster passt, das wieder aus denselben Parallelogrammen zusammengesetzt ist.

Ein großes Stück eines Penrose-Musters

Das dadurch entstandene Muster sieht sogar regelmäßig aus - und wenn man eine andere Stelle markiert, macht dies im ersten Augenblick keinen Untersched.

Ein großes Stück eines Penrose-Musters, bei dem eine andere Elementarzelle markiert ist.

Aber wenn Du es auf Transparentpapier ausdruckst und zwei Blätter aufeinander legt, wirst Du keine zwei Stellen finden, an denen das Muster genau deckungsgleich ist.

Zwei übereinandergelegte Penrose-Muster

Nach ihrem Entdecker wurden diese Gebilde Penrose-Muster genannt und chemische Gebilde, die diese Struktur enthalten, heißen, da sie keine echten (da regelmäßigen) Kristallstrukturen besitzen, heute Pseudo-Kristalle.

Die Bilder von Penrose-Mustern sind von dem Fraktalprogramm fractint generiert worden, das eine Unmenge von Experten entwickelt hat. ohne mehr dafür zu verlangen, als, dass Ihre Namen erhalten bleiben und alles, was aus ihrem Programm entwickelt wird, ebenso frei verfügbar ist, wie das Original. Nach dem Vortrag, in dem mir fractint das erste Mal gezeigt wurde, hatte ein Schüler einen angehenden Chemiker gefragt, ob es Penrose-Muster auch in der Chemie gibt. In diesem Augenblick hatten wir die zweite Hälfte der Entdeckung in der Hand, ohne zu wissen, dass es tatsächlich eine erste Hälfte gibt.